Geschichtsklitterung im Gemeinderat

– wie bewerten wir die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern?

 

Seit kurzem beabsichtigen die Verwaltung und der Gemeinderat die Jugendarbeit zu stärken. Nachdem die Gründung eines Jugendbeirates gescheitert ist, da sich die Jugendlichen lieber projektbezogen als in starren Organisationen einbringen wollen, ist der nächste Schritt unternommen worden. Eine Heranführung der Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) an die demokratischen Prozesse. Hierzu hat man sich von Markt Schwaben aus bei der Initiative „Jugend entscheidet“ beworben. Ein tolles Konzept.

Auch bei guten Ideen und Konzepten, sollte man (die Verwaltung und der Gemeinderat) bei den Dienstleistern und Anbietern genau hinschauen, wer die handelnden Akteure sind.

Initiator ist die Hertie Stiftung, eine der größten Stiftungen Deutschlands mit einem Vermögen von knapp 1 Milliarde Euro.

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Die Warenhauskette der jüdischen Unternehmerfamilie Tietz war kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten arisiert und die geschäftsführende Eigentümerfamilie aus dem Unternehmen gedrängt worden. Der jüdische Name des Unternehmens war zugunsten der Abkürzung „Hertie“ (Hermann Tietz) getilgt und ein neuer Geschäftsführer eingesetzt worden, Georg Karg. Dessen Enkeltochter, Sabine Gräfin von Norman, sitzt im Vorstand der Hertie-Stiftung.
Die Vergangenheit der Hertie Stiftung und das Entstehen in der Nazi Zeit ist geschichtlich sehr gut dokumentiert. Bezugnehmend auf die Berichterstattung in diversen großen Printmedien in Deutschland (SZ, Aufarbeiten ja, Transparenz nein | FAZ, Ein historisches Markenzeichen), wollten wir das Thema nochmal im Gemeinderat diskutieren und sehen, wie die anderen Räte dazu stehen. „Zahlreiche Personen aus dem Stiftungsumfeld hatten schließlich nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung übereinstimmend erklärt, dass die Stiftung keinen transparenten Umgang über die Herkunft ihres Vermögens“ betreibe und sich „weigert, ihr NS-Erbe aufzuarbeiten„. Diesen Personen ist es „unverständlich, weshalb die Stiftung 75 Jahre (inzwischen 77 Jahre) nach Kriegsende nicht offensiv die eigene NS-Vergangenheit “ erforschen lasse.

Diese Sichtweise vertritt die Mehrheit des GR offensichtlich nicht.

Der Einwand, in einer der GR-Sitzungen, ob man sich bewusst ist, dass die Hertie Stiftung aktiv die Aufarbeitung der Entstehung in der Nazi Zeit negiert, wurde mit Aussagen abgetan wie, „Fake News“ (das betrifft immerhin die Berichterstattung der SZ und der FAZ), oder „das ist nicht unsere Meinung und wir gehen weiter zu einem Beschluss“. Trotz allem ließ sich der Gemeinderat auf einen Beschluss ein, der vorsah, dass der Bürgermeister nochmal den Vorgang mit den Beteiligten klärt. Leider konnten wir uns als ZMS nicht durchsetzen, feste Kriterien dafür festzulegen, wann eine Zusammenarbeit unter Zugrundelegung allgemein geltender ethischer Grundsätze auszuschließen ist. In jedem größeren Betrieb gibt es für solche Sachverhalte klare Governance Richtlinien, die die Bewertung eines externen Anbieters objektiv ermöglichen. In der Verwaltung und im Gemeinderat gibt es diese aktuell noch nicht. Das Gespräch mit der Hertie Stiftung hat den Bürgermeister überzeugt und so geht die Zusammenarbeit weiter. Die versendeten Einlassungen des Vorstandes beweist nur, das eine Aufarbeitung nur auf Druck vorgenommen wird und nicht aus Einsicht (Der Spiegel, Hertie: So arbeitet die Stiftung die Nazi-Vergangenheit auf).

In einer Online-Sitzung, dem sogenannten Kick-Off, erklärte der Geschäftsführer der Hertie Stiftung John-Philip Hammersen: „es handelt sich bei der Übernahme der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH durch Georg Karg nicht um eine typische Arisierung, weshalb man sich bisher auch nicht um eine Aufarbeitung der Nazi Zeit gekümmert hat“.

Für uns eine untragbare Aussage, weshalb wir das Thema nochmal im Gemeinderat diskutieren wollten. Dass dann Aussagen getroffen werden, „das sei Schmarrn und man verlässt den Raum oder solche Themen könnte man am Stammtisch besprechen“, zeigt, dass sich der Gemeinderat in großen Teilen nicht seiner Verantwortung bewusst ist. Die Bezeichnung Stammtisch trifft doch eher auf jene zu, denen die Nazivergangenheit egal ist. Wenn die Mehrheit des GR davon ausgeht, dass man über die Mitwirkung der NSDAP in der Geschäftsführung dieses Unternehmens hinwegsehen kann, ist das aus unserer Sicht ein Problem.

Wirklich schade, denn wie will man Jugendlichen den Zugang zu demokratischen Entscheidungsprozessen vermitteln, wenn man selbst Geschichtsklitterung betreibt und sich der Tragweite von Aussagen und Entscheidungen nicht bewusst ist.

 

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