Gastbeitrag von Dr. Wolfgang Epple
In meiner Denkschrift zu Windkraftindustrie und Naturschutz (Epple 2021) wird ganz bewusst die Umwelt-Enzyklika des Papstes Franziskus Laudato Si‘ aus dem Jahr 2015 aufgegriffen. In bemerkenswerter Deutlichkeit wird dort unter Punkt 184 formuliert:
Wenn eventuelle Risiken für die Umwelt erscheinen, die das gegenwärtige oder zukünftige Gemeinwohl betreffen, verlangt die Situation, „dass alle Entscheidungen auf der Grundlage einer Gegenüberstellung der Risiken und der Vorteile jeder in Frage kommenden Alternative getroffen werden“. (…) Das gilt vor allem, wenn ein Projekt einen erhöhten Verbrauch natürlicher Ressourcen, eine Zunahme von Emissionen oder Abfallprodukten, die Erzeugung von Rückständen oder eine bedeutende Veränderung der Landschaft, des Lebensraums geschützter Arten oder eines öffentlichen Raums verursachen kann. Einige nicht ausreichend analysierte Projekte können zutiefst die Lebensqualität eines Ortes schädigen aufgrund von so verschiedenen Fragen wie zum Beispiel eine nicht vorhergesehene Lärmbelästigung, die Beschränkung der Sichtweite, der Verlust kultureller Werte, (…): Enzyklika Laudato Si´. Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Libreria Editrice Vaticana.
Wie viele der in der Enzyklika angesprochenen Punkte treffen auf die Eingriffe im Rahmen der Energiewende zu – Eingriffe, die angeblich zur Verminderung von Treibhausgasen führen? Wie viele treffen speziell auf die brachiale Invasion sogenannter Erneuerbarer Energien in letzte halbwegs von der Landnahme des Menschen bisher verschonte Landschaften zu? Sollten Kollateralschäden des technischen „Klimaschutzes“ für die Lebensgrundlagen nicht in ein für alle Güter abgewogenes Urteil zur Generationen-gerechten Verteilung von Lasten einfließen?
Für den Ebersberger Forst und seine Umgebung gilt für den Fall der Industrialisierung mit Windkraft wie überall ein mindestens vierfacher Verlust: Schädigung der Natur, Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, gesundheitliche Gefahren durch Emissionen und Verlust eines wertvollen Naherholungsgebietes und Wertverlust der Immobilien im Einzugsbereich des Windindustriegebietes. Landschaftsschutz, Artenschutz und die Gesundheitsvorsorge für die Menschen lassen sich nirgends in Deutschland voneinander trennen. Unsere letzten nicht überbauten Freiräume sind für Wildtiere, Wildpflanzen und den Menschen gleichermaßen wertvoll. Die kurzsichtige Opferung gerade der Wälder für Windkraftindustrie ist darüber hinaus für den ins Feld geführten „Klimaschutz“ kontraproduktiv. Weltweite Forschung an den Wäldern, und eine aktuelle Studie aus Deutschland bestätigen die klimaschädigende Wirkung der Auflichtung vorher geschlossener Wälder.
Wer im Namen des Klimaschutzes mit brachialer Gewalt Kolosse aus Stahl, Kunststoff und Beton in Wälder hinein zementiert, sollte wenigstens nicht auch noch Generationengerechtigkeit bemühen. Die lässt sich nämlich nicht auf CO2-Restbudgets reduzieren. Vielmehr sind die letzten naturnahen Flächen das knappste und wertvollste Gut, was wir den nachfolgenden Generationen intakt übergeben sollten. Es geht im tiefsten Wortsinn um Lebensraum. Es geht um Respekt. Es geht um das Tabu nicht gerechtfertigter und nicht verantwortbarer Zerstörung von Natur.
Schon die sprachliche Erfassung des im grünen und naturfernen Zeitgeist herrschenden Defizits an Respekt ist schwierig: Für die Dimension der durch die in die Landschaft eindringenden Windkraftindustrie verursachten Veränderungen gibt es keinen geschichtlichen, und bislang auch keinen sprachlichen Vergleich. Im Zeichen brachialer Naturzerstörung durch die „Energiewende“ wird Hans Jonas‘ (Prinzip Verantwortung 1979, S. 393) Erinnerung der Ehrfurcht und das in ihr enthüllte Tabu aktueller denn je:
(…) Die Ehrfurcht allein, indem sie uns ein „Heiliges“, das heißt unter keinen Umständen zu Verletzendes enthüllt (…), wird uns auch davor schützen, um der Zukunft willen die Gegenwart zu schänden, jene um den Preis dieser kaufen zu wollen. (…) Ein degradiertes Erbe wird die Erben mit degradieren.
Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation – Seite 33 (426 Seiten. Insel Verlag, Frankfurt)
Noch besteht im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens die berechtigte Hoffnung, dass gründliche Güterabwägung dazu führt, den großen Wald in seiner Geschlossenheit und in seinem unschätzbaren Wert für Mensch, Natur und Klima in der Metropolregion München zu erhalten. Das wäre der angemessene regionale Beitrag zur Gerechtigkeit für nachfolgende Generationen einschließlich aller Mitgeschöpfe. Die Verschonung des Eberberger Forstes vor einer Opferung für wirtschaftliche Interessen wäre ein Fanal für ganzheitlichen Naturschutz: Der Verzicht auf das durch fragwürdige juristische Konstrukte Machbare zu Gunsten des Verantwortbaren.
Windkraftindustrie und Naturschutz.
Windkraft-Naturschutz-Ethik.
Eine Studie für die Naturschutzinitiative e.V. (NI), 544 Seiten. Verlag BoD – Books on Demand, Norderstedt.
Wolfgang Epple
Hardcover, 546 Seiten, ISBN-13: 9783753416991, Verlag: Books on Demand
EPPLE, W. (o.J.): Homepage: Naturschutz & Ethik ;
dort vertieft zur Windkraft mit weiteren Unterseiten.